Die einzige bekannte Inkunabel aus dem Besitz des Auftraggebers des Breidenbach-Epitaphs im Frankfurter Städel?

Marcus (Marquard) von Lindau O. F. M., ca. 1325-1392.
Buch der zehn Gebote. Daran: Sprüche der heiligen Lehrer. Und: Beklagung von einem sterbenden Menschen.
Venedig, Erhard Ratdolt, 1483.
82 Blätter. Textbeginn in Rot und Schwarz gedruckt. Mit mehreren Holzschnittinitialen. Register rot rubriziert.
Folio, Blattgröße 309 x 214mm. Holzdeckelband der Zeit mit rot gefärbtem schmalen ungestempelten Lederrücken über drei Doppelbünden. Von der Mittelschließe nur noch die Beschläge an den Deckeln vorhanden. Vorderdeckel gebrochen, Kapitale berieben und bestoßen. Spiegel aus makuliertem Papiermanuskript. Breitrandiges Exemplar, gelegentlich leicht fleckig, geringer Wurmstich teils mit Textberührung.
Einzige Ausgabe des 15. Jahrhunderts. Erst 1516 und 1520 erschienen in Straßburg bei Grüninger weitere Ausgaben. Nur einer von zwei Drucken (neben dem Kalender des Regiomontan) Erhard Ratdolts in deutscher Sprache aus Venedig, wo er von 1476-1486 tätig war bevor er sich in Augsburg niederließ.
Exemplar mit interessanter Provenienz: Der erste Eigentümer, Jerge (Jorge, Georg) von Breidenbach, gest. 1493, Ratsherr in Frankfurt/Main und Procurator für die Dominikaner ebendort, stammt aus einer Frankfurter Patrizierfamilie und ist u.a. als Schöffe in den 1470 und 1480er Jahren in Urkunden im Stadtarchiv Frankfurt dokumentiert. Durch seine enge Verbindung zu den Dominikanern in Frankfurt gilt er als wahrscheinlicher Auftraggeber einer Kreuzigungsszene, bekannt als Breidenbach-Epitaph (der namentlich nicht bekannte Künstler genannt Meister des Breidenbach-Epitaphs), die sich im Frankfurter Städel befindet. Auf diesem findet sich unten links das Wappen der Familie Breidenbach. Eine schlichte Ausführung dieses Wappens befindet sich auch in der vorliegenden Inkunabel, nämlich als nicht vollendete Vorzeichnung unten mittig auf dem vorderen Spiegel, vermutlich wollte Georg von Breidenbach dort (an üblicher Stelle) sein Wappen einmalen lassen – wozu es aus bisher unbekannten Gründen nicht gekommen ist. Die Recherche zu Georg Breidenbach als Inkunabelbesitzer hat bisher kein Ergebnis erbracht, vorliegende Inkunabel scheint also möglicherweise der bisher einzige bekannte Druck aus der Bibliothek des Georg von Breidenbach zu sein. (Dank an Dr. Christoph Winterer, Universität Mainz, für den freundlichen Hinweis auf den Breidenbach-Epitaph im Städel).
GW M21095. Zu Georg Breidenbach: Brinkmann, Bodo und Kemperdick, Stephan. Deutsche Gemälde im Städel 1300-1500. Mainz, von Zabern, 2002. Seite 395.
Provenienz:
Jerge (Jorge, Georg) von Breidenbach. Zeitgenössischer hs. Eintrag sowie unvollendete Wappenvorzeichnung.
Herzoglich S. Meiningische Bibliothek (Stempel).
Prinz Ernst von Sachsen-Meiningen. Enteignet 1945.
Christies, London, Sale 17706, 11.12.2019, lot 276. Versteigerung gemäß einer Vereinbarung zwischen dem Einlieferer und der Prinz Ernst von Sachsen-Meiningen GbR zwecks endgültiger Auflösung der Eigentumsfrage und Übergang des Eigentums an den Käufer.
Peter Kiefer, Pforzheim, Auktion 112, 14./15.2.2020, lot 181. (I0003)

Euro 18.500.- inklusive 7% Mehrwertsteuer


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